Montag, 29. Oktober 2007

Wochenende in Potsdam

Liebe Freunde,

heute möchte ich euch nun das zweite Mal aus meiner neuen Heimat schreiben. Aber eigentlich wird es sich um meine alte Heimat Potsdam drehen, denn letzten Donnerstag machte ich mich in selbige auf, um zu sehen, ob ihr auch alle schön brav wart und was ihr so getrieben habt. Da stand ich also am Bahnhof, Entschuldigung, Hauptbahnhof von Bremerhaven und hoffte auf eine kurzfristige Streikunterbrechung. Völlig überraschend kam tatsächlich bald ein Zug in den mit viel Quetschen auch alle Fahrgäste hineinpassten. Ich hatte sogar brav vorneweg noch eine Fahrkarte gekauft, doch anscheinend war der Schaffner beim Streiken vorübergehend für den Lokführer eingesprungen, oder fuhr den Zug sogar selbst, so dass mein Zehner damit zum Fenster rausgeschmissen war. In Bremen kam ich noch rechtzeitig an, um in den schwarzen Polo meiner Mitfahrgelegenheit zu springen. Ich sagte ihr, daß ich noch etwas lesen werde, oder schlafe, aber sie meinte nur: „Nö, du setzt dich jetzt auf den Beifahrersitz und erzählst mir deine Lebensgeschichte! Wofür ist denn dieser Mitfahrgelegenheitskram denn da!“ Und so unterhielten wir uns. Ihrer Art und dem Aussehen nach, hätte sie Natasjas große Schwester sein können, nur daß sie dann wohl keinen Nadelstreifenhosenanzug tragen würde. Anja spielt bei Turbine in Potsdam und war den Tag für ein Assessment Center in Bremen. Wie ich gelernt habe, ist das nicht der zentrale Platz, an dem unsere Steuerbescheide gesammelt werden (wie ich aus dem direkten Wortsinn geschätzt hatte), sondern ein für Bewerbungen bei großen Firmen vorgesehenes Treffen aller Bewerber, die sich dann bei verschiedenen z.T. skurrilen Aufgaben solange darstellen und prostituieren, bis einige wenige eingestellt werden. Und Anja muß gut dabei gewesen sein, denn noch vor Hannover hatte sie den zuständigen Personaler am Handy, der ihr einen Job anbot. Netterweise setzte sie mich direkt vor der Haustür meiner Mutter ab, so daß ich es geradeso noch bis in die Großbeerenstraße ins Bowlingcenter schaffte. Und alle waren schon da: Schabi, Engel mit Bruder, Maik, Konsi, Herr Grundmann mit Mitbewohner, Anne…. Es wurde ein feucht-fröhlicher Abend mit guten Freunden und schlechten Bowlingleistungen. Und so entschlossen sich Björn und Maik später, am Freitag zum Üben wiederzukommen. Alles klar....?

Am Freitag las ich natürlich nicht, wie geplant, die 2 Artikel zum Thema Siliziumisotope, sondern begab mich zum Mittag in die Uni nach Golm, um einige Bücher abzugeben, mit Alex, Franzi und Duha (und per Zufall auch Torben) in die Mensa zu gehen und meine neuen IAESTE-T-Shirts in Empfang zu nehmen. Den Nachmittag verbrachte ich bei Rica mit Rooibostee, Kuchen und entspanntem Gespräch. Für den Abend hatte ich eigentlich Hörspielkino unterm Sternenhimmel mit Sonja im Planetarium der Urania angedacht, was aber daran scheiterte, daß die Karten schon Wochen zuvor ausverkauft und abgeholt waren. Da begab es sich, daß meine Mutter 2 Karten und die damit verbundene Einladung in die Galerie Ruhnke mit Gesangsdarbietung angeboten bekam. Wir nahmen an und hatten einen wundervollen Abend. Das lag nicht daran, daß der Raum vor der improvisierten Bühne zu klein für die etwa 40 Leute war und wir daher im Nachbarraum kurz hinter der Zwischentür saßen, auch nicht an dem gleich neben uns befindlichen Rotweinausschank oder den Gemälden an der Wand, die vermutlich einem Schimpansen mit künstlerischem Anspruch noch während des Malens entrissen wurden, sondern an Christine Wolff; ihres Zeichens Sopranistin (ich sag nur Kurt Masur, Peter Schreier, Wien, Paris, Mailand, Lissabon, *pfeif*), die von Juliane Tief an der Konzertgitarre begleitet wurde. Ihr Programm nannte sich Primadonna und so kam sie, gekleidet wie eine solche, standesgemäß zu spät. Das Repertoire bestand aus Liedern von Hildegard von Bingen bis in die heutige Zeit zu „Summertime“ aus „Porgy and Bess“. Sie sang diese sehr unterschiedlichen Stücke wunderbar wechselhaft, dem jeweiligen Charakter entsprechend mit grandioser Stimme, und erzählte dazwischen von der Geschichte der Primadonnen. Es gab herrliche Anekdoten über die Allüren der Callas, aber auch von Hape Kerkeling als polnischen Tenor mit seinem unvergesslichen impressionistischen Stück: „Der Wolf …, das Lamm…, auf der grünen Wiese…, rein…, HURZ!“ (www.youtube.com/watch?v=D8gzeSlHtM4) Weiterhin unterbrach sie gern mitten in einer Arie …..ahahaaaaha-ha- ich bitte zu beachten, daß dies ein hohes C war -ahaaaahaha….“ oder („…in italienischen Stücken brauchen sie nie auf den Text achten. Es geht immer (nur) um große Gefühle, große Emotionen…“) sie schmachtete mit einem Türrahmen. Herrlich. Danach traf ich noch Schlabi und Konsi zum Billard und zeigte ihnen, wo der Frosch die Locken hat.

Samstag bestand erstmal aus ausschlafen, lesen und weiterschlafen. Dann gabs Auflauf bei meiner Mutter, welcher direkt in Kaffee trinken und Kuchen essen mit Richard im Café Rothenburg mündete. Als wir dann nach einigen Stunden alles verputzt hatten, gabs auch schon eine frühes Abendbrot zu Hause, so daß ich nun definitiv eine Grundlage hatte, als ich mit Sonja bei Torbens und Konsis WG-Party erschien. Erwartungsgemäß passten die ausgezogenen Schuhe kaum noch auf den Treppenabsatz und an ein In-die-Küche-kommen war gar nicht zu denken. Engel und Maik tranken den ganzen Abend nur Wodka-Redbull aus Angst vor dem unausweichlichen Moment, wenn das Bier alle sein würde und zeigten mir stolz ihre offenen Blasen an den Händen vom 4 1/2 stündigen Bowling am Tag zuvor. Nadin und Sonja trafen alle IAESTE-Praktis wieder. Und Herr Grundmann schickte sein 2001 abgelaufenes Joghurtgetränk, welches schon 3 Umzüge mitgemacht hatte, ins Rennen um das am längsten abgelaufene Lebensmittel, welches ein 1988 abgelaufener Tee dann später für sich entscheiden konnte, sofern ich mich recht erinnere. Jeder hatte seinen Spaß, bis auf den Typen, der schon früh sitzend vor Konsis Schreibtisch über nem Eimer eingeschlafen war, bis Torbens Handy weg war und Konsi feststellte, daß jemand Bier in seinen Laptop gekippt hatte. Es wurde spät und trotz der durch die Zeitumstellung längeren Nacht, war ich erst um 6Uhr zu Hause.

Den Sonntag verbrachte ich größtenteils mit auskatern und um halb drei traf ich Rica, mit der ich zu Katrin und ihrem Geburtstagskaffeetrinken fuhr. Schlabi und Katrins Freund Stefan waren auch da und so quackelten wir bei Jasmintee und Kuchen (ich glaub, soviel Kuchen wie an diesem Wochenende, verputz ich sonst in 2 Monaten) über alte Freunde, neue Schuhe und aktuelle Pläne, bis ich mich zum Hauptbahnhof und Wannsee begeben musste, um meine Mitfahrgelegenheit nach Bremerhaven zu erwischen. Die Rückfahrt verbrachte ich zu großen Teilen schlafend. Den Rest der Zeit lauschte ich meiner Fahrerin (als Unteroffizierin in Bremerhaven stationiert), die sich über die zum Teil sehr billigen Kolleginnen beschwerte, die mit Soldaten nach Dienstgrad schliefen. Später erzählte sie mir noch von ihrem Freund (einem Feldwebel aus Rostock) und das sie ein Kind von ihm erwarte. Auch sie fuhr mich freundlicherweise bis vor die Haustür.

Nach dem klasse Wochenende empfing mich Bremerhaven heute mit meiner Gemütsstimmung: Nieselregen den ganzen Tag lang. Ich verschlief erstmal aus Protest, erinnerte mich aber dann an einen Vortrag, den ich mir um 11Uhr anhören sollte. Der ging 3x so lang wie er sollte und ich musste mich nachher schon beeilen, noch etwas in der Mensa zu bekommen. Nach der Mittagspause kam ich auch zu nichts Gescheitem, da Jan auftauchte und wir bei Tee unsere Wochenenden resümierten. Ab 15Uhr schaffte ich es dann endlich, ein paar Seiten zu lesen, doch um 17Uhr traf ich mich schon wieder mit Jan, um im Kino „Princesas“ zu sehen. Danach fuhr ich noch mein Motorrad zu einer Wissenschaftlerin des AWI, die mir freundlicherweise angeboten hatte, daß ich mein Motorrad bei ihr für den Winter unterstellen konnte, als mir die Scheißkarre mitten auf einer großen Kreuzung komplett ausging. Irgendwas mit der gesamten Elektronik. Also Helm ab, Jacke aus und schieben. Da aber Frau Yamaha mit ihren 220kg nicht die schlankste ist, brauch ich diese Woche wohl keinen Sport mehr machen. Aber jetzt bin ich ja wieder zu Hause, hab ne Dusche genommen und werd mich jetzt mit dem "braven Soldaten Schwejk" ins Bett begeben (dem Buch natürlich). Allen, die noch wach sind, wünsch ich noch ne schöne Zeit und hoffe, euch bald mal wieder zu sehen.

Carpe diem

Euer Stefan

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